Not in der Stille
Still zu sein wird ja des Öfteren angemahnt. Ob in der Oper Eukalyptusbonbonpapier
raschelt, im Nachbargarten Kreissägen kreischen oder sich
auf den Holzdielen der Dachwohnung die Stepptanzgruppe ein Stelldichein
gibt - Geräusch wird oft als störend empfunden.
Noch zumal in der Kirche, es sei denn es
wird gerade gesungen, gebetet oder gepredigt.
Wobei hier nichts gegen mitteilungsbedürftige
Kleinkinder, den Austausch von sonntäglichen Kochrezepten oder den
jüngsten Tratsch über die anderen Gottesdienstbesucher
gesagt sein soll. So viel Gemeindeleben muss sein. Besser
eine fröhlich murmelnde Menge,
als leere Kirchenbänke. Stimmts Herr
Pfarrer?
Und wenn es zu bunt zugeht,
kann man ja immer noch die Kirchenglocken
erwähnen, die sonst nicht zu
hören sind. Nein, mir geht es um etwas
ganz anderes. Einen ganz anderen Ort
der Stille sozusagen. Ein, nun ja, eher
sprichwörtliches stilles Örtchen. Die
Suche danach kann außerordentlich
dringend sein. Besonders für Ortsunkundige.
Aber auch als Einheimischer
ist man nicht vor urologischen Panikattacken
gefeit. Wer schon einmal voller innerer Bedürftigkeit vor dem
- von einem pflichtbewussten Verantwortlichen
zugeschlossenen - Gemeindehaus
von einem Bein auf das andere trat, weiß um solche Not. Und
man kann ja schließlich nicht in den
Pfarrgarten ...
Auch kirchenmusikalische
Aufführungen und der eine oder
andere Gottesdienst können einem
sehr lang werden, ohne zumindest
das beruhigende Wissen darum, dass
man könnte, wenn man müsste. Es ist nun einmal
Teil des menschlichen Wesens, die Dinge
nicht nur geduldig in sich aufzunehmen, sondern
sich ihrer gelegentlich auch machtvoll entäußern
zu wollen. Sollte dafür nicht ein eigener stiller Raum geschaffen sein in
unserem Gotteshaus? Er selbst hat uns
immerhin auch mit dieser Verrichtung
versehen. Dann wird es ihn wohl nicht
stören, meine ich, wenn wir davon Gebrauch
machen. Ein kaum benutzter
Raum im seitlichen Aufgang zur Empore
auf der Kanzelseite stünde zum sanitären
Umbau zur Verfügung. Ich wäre
froh, ja regelrecht erleichtert, wenn
sich der Bauausschuss diesem dringenden
Bedürfnis anschließen könnte.
Sich der Nöte Anderer anzunehmen ist
schließlich unser aller Christenpflicht.
Wie gehetzt, fahrig, ruhelos sind wir,
wenn wir verzweifelt nach einem solchen
stillen Ort suchen. Wie glücklich
wenn wir ihn gefunden haben. Und
wie erquickt, fröhlich und entspannt
kehren wir davon zurück. Und in der
friedlichen Stille danach rauscht nur
noch ganz ganz leise das Spülwasser.
Traugott
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