Zu hoch
In einem meiner Lieblingswitze unterhalten sich zwei katholische Priester
darüber, ob sie es wohl noch erleben
würden, dass der Zölibat abgeschafft
werde. „Ich glaube, wir
nicht“, meint der eine resignierend. Der andere antwortet: „Aber vielleicht wenigstens unsere Kinder.“ Der
fast neunhundertjährige
Pflichtzölibat ist nur eines
der Reizthemen in der römisch-katholischen Kirche,
die nun nach dem Wunsch vieler Christen der 76 Jahre alte Pabst Franziskus
modernisieren soll. Die Zeitungen, die
Nachrichten waren voll davon. Priesteramt für Frauen, größere Autonomie von Gemeinden gegenüber Rom,
mehr Einbindung von Laien. Die Liste
der Reformwünsche ist lang. Ebenso,
wie die Liste der bisherigen amtlichen
Ablehnungen. Und doch glauben viele wie im eingangs zitierten Scherz
an Reformen. Doch mit dem Glauben
ist es ein merkwürdig Ding. Er verheißt Hoffnung, ist dabei aber eher
himmelwärts gerichtet. Der Glauben
daran, dass sich hier auf Erden mal
was ändert, wird hingegen meist enttäuscht. Der von mir hoch verehrte
dänische Hauptkommissar Jensen, ein
zu Unrecht in Vergessenheit geratener
Weltphilosoph der jüngeren Vergangenheit, brachte die Unveränderbarkeit menschlicher Lebensumstände
mehrfach exakt auf den Punkt. Immer,
wenn in den Olsenbandenfilmen der
siebziger Jahre der heißspornige Jungkommissar Holm ins ranzige Kellerbüro stürmte und Korruption, Machtmissbrauch und Amtsklüngel mit den
Worten anprangerte: „Das müssen wir
doch ändern! Das ist doch
illegal!“, hatte Kommissar
Jensen einen mit allumfassender Weisheit erleuchteten Rat in petto: „Junger
Freund“, bemerkte der Dalai
Lama der Krimiserien dann:
„Junger Freund, da sind
Mächte am Werk, die sind
zu hoch für uns!“ Und so geht es mir
mit dem ewigen Streit um die Priesterehe und die anderen katholischen
Anachronismen. Warum Frauen keine
Sakramente erteilen sollen, warum
der römische Oberbrückenbauer immer Recht hat und warum der zweckentsprechende Gebrauch amtspriesterlicher Fortpflanzungsorgane vom
Bannstrahl bedroht wird, das alles ist
mir zu hoch. Der der Ketzerei meines
Wissens recht unverdächtige Paulus
schrieb an Timotheus übrigens (1 Tim
3,2ff.): „Ein Bischof soll untadelig sein,
Mann einer einzigen Frau, … einer,
der seinem eigenen Haus gut vorsteht
und gehorsame Kinder hat in aller
Ehrbarkeit.“ Das ist mir nicht zu hoch,
das verstehe sogar ich. Deshalb ein
kleiner, bereits vor 500 Jahren recht
erfolgreicher reformatorischer Gruß
an die neuen katholischen Bischöfe in
Rom und hierzulande: „sola scriptura“
– im Zweifel guck einfach mal nach,
was in der Bibel steht.
Traugott
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