Wage‘ vollgelade
Liebe TraugöttInnenleserinnen und
-leser, als ich auf den alljährlichen
Gemeindeausflug unserer Schwesterkirchgemeinden im September
aufmerksam wurde, der übrigens
diesmal Wechselburg
und Rochlitz zum Ziel
hat, da fiel mir ein, dass
auf den Fahrten in den
Vorjahren auch gern mal
das eine oder andere
Lied angestimmt wurde.
Zu den dabei beliebten
Reiseschlagern zählt auch das schwäbische Volkslied mit dem vollgeladenen Wagen, das ich bereits in der
Schule zum Vorsingen im Musikunterricht unreflektiert vor mich hin
trällerte: „Hab mein Wage‘ vollgelade voll mit alten Weibsen …“ Doch
Stopp! Der vollgeladene Wage’ muss
heute vor der gendergerechtenAntidiskriminierungsschranke anhalten.
Unmöglich heute so etwas öffentlich
auszusprechen, gar zu singen. Ein
Transportunternehmer, der Seniorinnen und Senioren – oder anders
lebensjahrreiche Mitbürgerinnen
und Mitbürger – vorsätzlich von der
Beförderung ausschließt? Skandal!
Wo bleibt der/die Gleichstellungsbeauftragte? Bei allem Verständnis für
den/die schwäbische(n) Kutscher(in)
und seine/ihre Vorliebe für junge
Frauen. Das geht so gar nicht mehr.
Zu Zeiten in denen Otfried Preußlers,
Astrid Lindgrens und andere Kinderbücher antirassistisch redigiert, in
Grimmschen Märchen sexistische
Rollenbilder gefunden werden und
sogar eine deutsche Familienministerin meint, man solle seinen Kindern
besser geschlechtsneutral von „das lieben Gott“
erzählen, da kann auch das
gemeine Volksliedgut nicht
unangetastet bleiben.
Nicht auszudenken, wenn
wir weiterhin von etwas
unterbelichteten Chinesen
mit dem Kontrabass, dem gewaltsam
gebrochenen Heideröslein oder der
Liebe Verknotigung mit dem Ännchen singen würden. Ganz zu schweigen von den keifenden Weibsen auf
dem vollgeladenen Wage’. Deshalb
meine eindrückliche Bitte: Falls Sie
in dieser Sommerzeit auf Reisen, am
Lagerfeuer oder beim Gemeindeausflug nicht umhin kommen, den einen
oder anderen Gesang anzustimmen,
vergewissern Sie sich bitte vorab der
diskriminierungsfreien Textur und
weisen Sie auch unbedachte Mitsänger darauf hin. Das liebe Gott wird es
Ihnen danken. Und mal ganz nebenbei: Es wäre wirklich schön, wenn der
Gemeindeausflugswagen mit ganz
vielen Altersgruppen besetzt wäre,
nicht nur – na, Sie wissen schon.
Traugott
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