Hoch soll er leben!
Es gibt Wochen, ach was, ganze Monate,
da komme ich aus dem Feiern gar nicht
mehr heraus. Ein Sommerfest hier, ein
Schulabschluss da und dann hat auch
noch die Schwiegermutter Geburtstag.
Und dauernd irgendein Jubiläum, dass
begangen werden möchte. Neulich traf
es bei uns einen gewissen
Gottlieb T. Bienert, dessen Geburtstag sich im Juli
2013 zum 200. mal jährte. Zu der Zeit war Plauen
noch nicht Dresden, sondern ein kleines beschauliches Nest, von dessen
Höhen Napoléon sich einen Monat später seine Schlacht bei
Dresden anguckte, bevor er im Herbst
1813 in Leipzig die noch berühmtere sogenannte Völkerschlacht verlor. Wieder
so ein Jubiläum, das mit großem Brimbamborium gefeiert wird, obwohl doch
gerade die Sachsen allen Grund hätten,
Trauerflor zu tragen. Treu standen sie
in großer sächsischer Militärtradition
auf Seiten der Verlierer und wurden
auf dem anschließenden Wiener Kongress arg zerrupft von den Siegern. Ob
Schweden, Polen, Russen, Franzosen
oder Österreicher, wer auch immer mit
den Sachsen in den Krieg zog, zog den
Kürzeren. Unsere historische Verantwortung als ewige Verlierer wäre daher
ein weltumspannendes Netz von Militärbündnissen mit allen kriegsbereiten
Nationen. Die würden hoffentlich gar
nicht erst anfangen, wäre ein Sachse
dabei. Viel besser als Krieg können wir
eben kleine Brötchen backen. Der nun
200-jährige Bienert ahnte das und ließ
lieber die Mühlen mahlen. Auch Musik
können wir ganz gut. Gefeiert wird in
diesem Jahr Richard Wagner, der – Sie
ahnen es – vor 200 Jahren geboren
wurde. Jubiläum! In Plauen ist Wagner
übrigens mehrfach gewesen, meist zum
Wandern, zuletzt auf der Flucht vor
der sächsischen Polizei.
Ich stell’s mir dramatisch
vor, er sitzt auf einem flügelschlagenden Schwan
gegen die Strömung der
Weißeritz ankämpfend,
mit dem Schwert Balmung
in der Hand teilt er die Wogen und wird schließlich
von einer blonden Walküre heraufgezogen, schwebend durch den Plauenschen Grund Richtung Tharandt in die
Götterdämmerung getragen. Ach, fast
hätte ich’s vergessen. 2013 gibt’s noch
mehr zu feiern: 150 Jahre Feuerwehr
in Dresden, 125 Jahre Kirchenchorwerk
der Landeskirche Sachsen, den 200jährigen Italiener Guiseppe Verdi, den 100.
Todestag von August Bebel, 40 Jahre SBahn in Dresden, 150 Jahre Deutsches
Rotes Kreuz, 60 Jahre Dynamo Dresden,
150 Jahre Trachtenkapelle Todtmoos,
50. Todestag von Edith Piaf, 1100 Jahre
Kassel und schließlich am 5. Dezember
noch der 110. Geburtstag von Johannes
Heesters. Ich denke, er wäre wohl ins
„Maxim“ gegangen. Und wenn bei Ihnen in diesem Jahr auch ein Jubilar auf
die Geburtstagstorte wartet, dann hoch
die Tassen, feiern Sie ihn und sich und
das Leben und warten Sie nicht bis zum
200. Denn das hat selbst Jopi Heesters
nicht geschafft.
Traugott
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