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Weltuntergang

Ich würde ein Apfelbäumchen pflanzen, soll Martin Luther auf die Annahme hin bemerkt haben, dass demnächst möglicherweise die Welt unterginge. So gesehen müssten 2012 die Anbauflächen für Obstplantagen knapp werden. Weltuntergangsankündigungen auf allen Kanälen, kaum dass Silvester vorbei war. Bei google finden sich derzeit 2.540.000 Treffer für "Weltuntergang". Das meiste davon haben wir der beklagenswerten Neugier des Dresdner Bibliothekars Ernst Wilhelm Förstemann zu verdanken. Der wollte unbedingt entschlüsseln, was das bereits untergegangene Volk der Maya der Nachwelt so mitzuteilen hatte und stieß dabei auf einen Kalender, der nun im Jahr 2012 endet. Konnte sich Herr Förstemann nicht einfach an den bunten Bildern erfreuen, die der Maya-Codex ("Codex Dresdensis" in der Sächsischen Landes- und Universitäts-bibliothek) zeigt? Lustige Männlein, die vor gepunkteten Linien hocken. Es einfach zu antiker Volkskunst erklären und gut? Herr Förstemann konnte nicht und wurde zum Dank dafür sogar auf dem Fürstenzug verewigt. Obwohl er weder Fürst noch ein echter Sachse war! Und wir müssen jetzt ein ganzes Jahr voller apokalyptischer Menetekel überstehen. Wer Augen hat, der sehe: Dieser Februar hat 29 Tage, dieser Winter ist gar nicht richtig kalt, in Deutschland soll es Politiker geben, die nicht immer die Wahrheit sagen, in Norwegen wird die Butter knapp, Stefanie Hertel und Stefan Mross jodeln nur noch getrennt und Dynamo Dresden darf nicht im Fußballpokal mitspielen! Sehen Sie, die Anzeichen verdichten sich. Und noch mehr: Seit einiger Zeit vernehme ich in der Auferstehungskirche ein gruseliges Hämmern aus der Unterwelt. Kaltes Metall schlägt auf harten Stein und gemahnt, so scheint mir, an das Ende alles Irdischen. Es knirscht, rattert und rasselt unter den Füßen der Kurrendekinder, der Gottesdienstbesucher, ja selbst der Kirchvorsteher. Geht da wer um im Souterrain? Die weiße Frau? Der kahle Bischof? Ist's Herr Förstemann, der uns geheime Botschaften der Maya morst? Oder hat Bienert selig wieder die Plauener Mühle angeworfen? Mutig und zu allem entschlossen blicke ich dem Unheil ins Angesicht. 2012 wird nichts unter den Teppich gekehrt. Was auch immer unter den abgetretenen Fußläufern lauert, wird von mir schonungslos aufgedeckt! Ich werde es den dunklen Tiefen entreißen. Und wenn es das letzte ist, was ich vor dem Weltuntergang noch schaffe. Außer dem Apfelbaumpflanzen. Und der Steuererklärung vielleicht. Ach und könnte inzwischen vielleicht mal jemand die Fußbodendeckel im Seitengang des Kirchenschiffs reparieren? Die klappern so laut.

Traugott


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